Was uns auf der Seele liegt

Ihr Lieben,

lange nicht gesehen. Wir hoffen ihr seid gesund und es geht euch den Umständen entsprechend gut. Wir möchten euch heute mal in unsere momentane Gedankenwelt mitnehmen.

Unsere Gründerin Grete und wir als nachfolgende Generation verfolgen seit 46 Jahren einen Traum. Grete und Kirsten wollten Bewegung in die Kleiderschränke bringen und sich selbständig machen. So gründeten sie einen Second-Hand-Laden auf dem Dorf – Grete war da bereits 51 Jahre alt und beide wurden für ihren Traum mehr als einmal belächelt und als „bekloppt“ abgetan. Aber sie gingen ihrem Traum nach und mit viel Arbeit, Elan und Mut wuchs dieser kleine Second-Hand-Laden über die Jahre und Jahrzehnte zu einem großen Spezialhaus, das in unserer Branche bis weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannt ist. Insgesamt wurde 32x angebaut und unser Team wuchs stetig um viele liebe Kolleginnen und Kollegen an. Wir lieben es, unseren Kundinnen und Kunden bei ihren Träumen – seien es Hochzeiten, Abschlussbälle, Konfirmationen oder andere wichtige Momente im Leben – zur Seite zu stehen und zu unterstützen.

Träume sind auch immer Projektionen in die Zukunft. Man blickt auf einen Punkt am Horizont und malt sich voller Vorfreude aus, wie es an dieser Stelle am Horizont wohl sein wird. Sie sind unser Antrieb, Motivation und geben uns Hoffnung und Orientierung.Im letzten März kam dann der tiefe Einschnitt und nichts war mehr wie zuvor. Der erste Lockdown war noch gefühlt kurz und wurde von sonnigen Tagen und surrealer Ruhe in unserer immer schnelllebigeren Welt geprägt. Hoffnungen auf die rasche Impfstoffentwicklung, schnelle und unbürokratische Hilfen für bedürftige Menschen und Unternehmen wurden angekündigt und eine erfolgreiche Eindämmung der Pandemie wirkte möglich, da die Menschen sich größtenteils sehr diszipliniert an die pandemiebedingten Einschränkungen hielten. Die Träume der Menschen wurden kleiner, aber sie waren noch da.

Schon zu Beginn der Pandemie vor einigen Monaten wurde uns zwar gesagt, dass es ein langer Corona-Winter werden würde, aber ganz so andauernd und belastend haben wir diesen denn doch nicht erwartet. Ihr kennt uns als fröhliche, vor Tatendrang sprudelnde Menschen, aber inzwischen hat sich auch über uns der Nebelschleier der Melancholie ausgebreitet. Alles grau-in-grau und für niemanden ist derzeit ein richtiger Ausweg in Sicht. Wo ist der Traum, der Punkt am Horizont, den wir erreichen wollen und auf den wir hinfiebern?

Damit wir uns von vornherein richtig verstehen: Wir sind keine Corona-Leugner und glauben zu 100% an die Erkenntnisse der renommierten Wissenschaft. Wir nehmen die Pandemie sehr ernst. Viel zu viele Menschen sind erkrankt und haben teilweise schwere Verläufe mit langfristigen gesundheitlichen Folgen und viele betrauern inzwischen den Verlust eines lieben Menschen. Das tut weh und macht uns traurig.

Wir halten den grundsätzlichen politischen Kurs bei der Pandemiebekämpfung auch für richtig und unstrittig. Denn so hart er auch sein mag, ist er wohl alternativlos. Dennoch merken wir nach inzwischen fast einem Jahr in einer quasi immer wiederkehrenden Dauerschleife, dass es langsam an die Substanz unserer Gesellschaft geht. Und das macht uns fast noch mehr Angst im Moment.

Wir brauchen alle wieder Träume, Ziele und Hoffnung, um aus diesem Negativsog zu entfliehen, der unsere Gesellschaft im Moment immer weiter nach unten zieht.Denn auch wenn im Vergleich zu den meisten anderen Ländern vieles bei uns wahrscheinlich sogar besser läuft, treten Versäumnisse und falsche Entscheidungen aus der Vergangenheit jetzt dennoch immer deutlicher zu Tage. Die rein turbokapitalistische Ausrichtung und Optimierung unseres Gesundheitssystems ist sicher ein besonderes Grundübel, von dem sich ein reiches Land wie Deutschland schnellstmöglich lösen sollte, aber es gibt noch mehr. Unser unterirdischer Stand bei der Digitalisierung ist ein anderes Thema, welches uns im ehemaligen Land der Dichter und Denker gerade bei dem Punkt Homeschooling teilweise krachend vor die Füße fällt. Doch auch andere Punkte wie die unglückliche Krisenkommunikation, der föderalistische Flickenteppich mit unterschiedlichen Bestimmungen und Auslegungen, mangelnde Entschlossenheit und die Nichteinhaltung von Zusagen wirken derzeit wie Brandbeschleuniger und gefährden letztlich sogar unsere Demokratie. Dass alles so ausweglos wirkt und keiner derzeit einen Fixpunkt am Horizont hat, zu dem man sich hinkämpft und dass man sich in diesem Kampf so allein gelassen fühlt, vergiftet unser gesellschaftliches Klima.

Auch unsere in über 46 Jahre sehr soliden Wirtschaftens und erfolgreichen Arbeitens aufgebauten Rücklagen sind inzwischen fast völlig aufgezehrt. Kein Wunder, haben wir in den letzten 12 Monaten in unserer sehr besonderen Nische rund 75% Umsatzrückgang zu beklagen. Abendkleider, Brautkleider und Anzüge waren 2020 ab Anfang März nicht sonderlich en vogue und werden es wohl auch 2021 nicht sein, wie sich immer mehr herauskristallisiert. Diesen 75% Umsatzeinbruch stehen aberwitzige 0,3% Kompensation durch Überbrückungshilfen und weitere 10% durch das Kurzarbeitergeld gegenüber. Bleiben demnach 64,7%, die offenbar nicht von der Altmaier`schen Bazooka erwischt wurden – plus jede Menge Vorjahresware im Nacken, quasi Nullkommanull Neugeschäft, weil eben keiner derzeit einen Sehnsuchtspunkt am Horizont sieht. Aus der vielzitierten Bazooka tröpfelt es also nur sehr spärlich oder im Fall von Überbrückungshilfe II und III gar nicht oder zu spät.

Wie soll man bitteschön für ein solches Szenario Rücklagen bilden, geschweige denn für die Zukunft planen, in der wir in der Gegenwart nun eigentlich Herbstware einkaufen sollten??? Lieber Peter, lieber Olaf, traut ihr euch in diesem Umfeld kaufmännisch solide Planung zu?

Dieses dicke Brett wird für weite Teile des anlassbezogenen Einzelhandels, die Gastronomie, die Hotellerie, Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche nicht mehr zu bohren sein. Millionen Mitarbeiter dieser Bereiche sind inzwischen seit Monaten auf Eis gelegt und zermartern sich voller Zukunftsangst zu Hause die Köpfe, während die Einschläge in Form von abgeklebten Schaufenstern kleiner Läden immer näher rücken. Endlich müssen die Hilfestellungen schneller, unbürokratischer und zielgerichteter kommen. Wir haben seinerzeit im Spätsommer 2020 2 ½ Monate Kurzarbeitergeld für rund 100 (!) Mitarbeiter vorgestreckt, ehe sich das Jobcenter zur Auszahlung erbarmte. Leute, das schaffen die meisten Unternehmen gar nicht und da lief die Pandemie ja bereits seit 5 Monaten. Wenn dann rauskommt, dass während der Ministerpräsidentenkonferenzen Candy Crush gedaddelt (Ramelow) oder per SMS über andere Teilnehmer abgelästert wird (Söder und Laschet) stärkt das natürlich den Politikverdruss.

Letzte Woche gab es in unserer Branche einen Riesenaufschrei, da Brautgeschäfte in Berlin, Brandenburg und Sachsen öffnen dürfen, in anderen Bundesländern aber nicht. In Dithmarschen liegt die Inzidenz derzeit bei 15,8. Da sie in keinem Kreis innerhalb der drei Bundesländer derzeit unter 60 liegt, kann der Inzidenzwert also nicht den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben haben. Wenig verwunderlich, dass die andernorts ansässigen Modehäuser Sturm laufen – und Brautkleidtourismus in diese Regionen des Landes kann im Sinne der Pandemiebekämpfung auch nicht förderlich sein.

Liebe Politik, lasst es daher bitte, einzelne Bundesländer oder Branchen gegeneinander auszuspielen. Warum waren in NRW größere Feiern im vergangenen Jahr möglich als in Schleswig-Holstein, warum dürfen Lebensmittelketten Textilien verkaufen, Modehäuser mit entsprechenden Konzepten aber nicht? Die Liste ließe sich endlos fortführen. Schon im vergangenen Frühjahr hätten wir uns einheitliche Regeln gewünscht. Das Runterflattern unserer 4500 qm auf 800 qm war an Absurdität nicht zu überbieten und man fragt sich, wie eine solche Regelung sinnvoll begründet wird. Versteht kein Mensch! Bitte schafft klare und einheitliche Regeln für alle! 20 qm pro Person. Abstand halten, Maske tragen, Termine vereinbaren und digital erfassen. Was es auch ist, es ließe sich umsetzen und von allen beachten. Klare Regeln mit klaren Konzeptvorgaben branchenübergreifend in allen Bundesländern würden allen zumindest wieder ein bisschen Boden unter den Füßen und eine Perspektive geben. Bleibt diese Einheitlichkeit und die klare Zielformulierung aus, fürchte ich, dass die Solidarität, das Verständnis und die gegenseitige Rücksichtnahme weiter schwinden werden.

Wir haben Hochachtung vor dem Pensum an Entscheidungen, die ihr in den vergangenen Monaten getroffen habt. Niemand von uns hätte alles richtig entschieden, viel zu komplex und zu unbekannt ist eine solche Situation. Aber bitte denkt immer daran, dass es um Menschen geht. Menschen nehmen kleine Zeichen sehr feinfühlig auf. Wenn die Unterstützung im Hier und Jetzt versagt und ihr so gar keine Perspektive aufzeigt, wie eine Zukunft aussehen kann und man kein Ziel sieht, auf das es sich zuzusteuern lohnt, schafft das reale Ängste und Verzweiflung. Und solche Ängste kann keiner 24 Stunden lang ausblenden. Immer mehr Menschen driften aufgrund dieser Versäumnisse in Verschwörungstheorien ab. Mit Klarheit, Einheitlichkeit im Maß der Entscheidungen, einem gut kommunizierten Plan, einer schnell lernenden und transparenten Fehlerkultur (schwacher Impfstart, Homeschooling, ausbleibende Wirtschaftshilfen, etc.), eigenem Vorbildcharakter und einem eindeutig formulierten Ziel könnte man viel Vertrauen zurück gewinnen und Menschen könnten wieder hoffnungsvoll auf diesen Punkt am Horizont blicken.

Kurzum: Wahrscheinlich wird heute in der Ministerpräsidentenkonferenz eine Verlängerung des Lockdowns beschlossen und sehr wahrscheinlich ist dies auch wissenschaftlich sinnvoll. Aber bitte vergesst die oben angeführten Punkte nicht. Sonst geht es irgendwann, fürchten wir, um noch mehr als die Gesundheit in unserer Gesellschaft.

Vielen Dank für eure Zeit und eure Aufmerksamkeit. Lasst uns gerne wissen, wie es euch mit der Situation geht.

Bleibt gesund und fürsorglich, Kirsten & Henning

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